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Der Jesus vom Sexshop

Er wird als enfant terrible der Gegenwartsliteratur gefeiert. Die Deutsch-Schweizerin Sibylle Berg lobt Helge Timmerberg sogar als den besten Schreiber Deutschlands in ihrer Generation. Was ist dran oder besser drin in den Büchern von Timmerberg, dass sich die Fachpresse mit Lobhudelei über ihn überschlägt ? Timmerberg, Weltenbummler und Vielreiser, hat seine Reiseberichte in Buchform mittlerweile in mehreren Bänden zusammen gefasst. Ob „Der Jesus vom Sexshop“, „Tiger fressen keine Yogis: Stories von unterwegs“ oder „In 80 Tagen um die Welt“, Timmerberg war mit diesen Büchern so erfolgreich, dass er nicht umhin kam uns auch seine Lebensweisheiten mit auf den Weg zu geben. Mit Titeln wie „Timmerbergs Beziehungs-ABC“ gibt er frech und humorvoll Aufschluss wie es im Leben so laufen kann.

Neugierig geworden wollten wissen was dahinter steckt und haben „Der Jesus vom Sexshop“ zur Hand genommen.
Vorab: nicht jedem gefällt alles, das ist klar. Ob man etwas für gelungen oder humorvoll hält ist natürlich subjektiv. Aber unbestritten: Timmerbergs Bücher verkaufen sich anscheinend exorbitant gut. Der Erfolg spricht für ihn.

Nachdem wir uns im Vorfeld bereits etwas in die Vita Timmerbergs eingelesen haben, trifft das Bild welches er selbst über sich abgibt wohl am ehesten die Realität, was auch gleichzeitig der Selling-Point seiner selbst und seiner Werke ist: alternder Alt-Hippie, der jahrelang auf einem LSD-Trip war, frech, arrogant, lebenserfahren.

Nach der Lektüre von „Der Jesus vom Sexshop“ waren wir allerdings etwas ernüchtert. Vielleicht liegt es am Alter ? Wäre ich irgendwann in den 50igern geboren worden, statt in den 70igern, vielleicht hätte ich dann eher Zugang zum Autoren und was er schreibt. Zwar kenne auch noch ich die alten VW-Busse und weiß mit dem Begriff „Unimog“ etwas anzufangen, aber selbst mit viel Überwindung kann ich den durchgedrehten Kurzgeschichten von Timmerberg nichts abgewinnen. Er schreibt frech, provokant, süffisant. Das gefällt. Einen hohen literarischen Anspruch hatten wir an seine Werke im Vorfeld auch nicht gestellt.

Doch was Timmerberg da zusammenschreibt ist subjektiv gesehen einfach langweilig. Ein Kapitel handelt davon, wie er vom LSD zugedröhnt mit dem Taxi die 100 Meter vom Hotel zur Disko in Tel Aviv fährt, und nicht merkt, dass der Taxifahrer ihn für 100 USD eine Stunde im Kreis herum fährt, bis er ihn vor der Diskothek absetzt.
Das war dann aber auch schon sein Reisebericht zu Israel.
Ok. Eine nette Anekdote.
Allerdings ziehen sich diese Anekdoten durch das ganze Buch und vermitteln bei mir als Leser das Gefühl, dass es eher darum geht die Seiten zu füllen, um ein Buch voll zu bekommen, als etwas von land und Leuten zu beschreiben. Teilweise beschreibt er, wie im Beispiel Thailand, einfach einen Boxkampf, bei dem er – anscheinend von den Drogen berauscht – sogar etwas philosophisch wird. Doch das hat nichts mit Thailand und nichts mit einem Reisebericht zu tun.

Die Kurzgeschichten beschreiben sehr individuell Land und Leute, wenn überhaupt. Da Timmerberg seinen eigenen Worten nach seit Jahrzehnten auf dem Drogen-Trip ist, kommt auch die Schilderung der Situationen in seinen Berichten etwas verdreht einher. Teilweise zwar selbstkritisch bricht die Arroganz und Überheblichkeit allerdings an vielen Stellen des Buches durch.

Das Buch ist kurzweilig, eine Anreihung von Anekdoten rund um die Welt und so geschrieben, dass ich es nicht unbedingt einem pupertierenden Jugendlichen geben würde, der dadurch vielleicht noch auf dumme Ideen kommt. Sprachlich trifft das Werk die Alt-Generation der 68er, unkonventionell, sarkastisch, teilweise hemmungslos. Er verunglimpft fremde Völker und fremde Religionen. Respekt ? Bei weitem nicht !
Vielleicht macht dies seine Bücher so erfolgreich.

Das Buch verkauft sich exzellent und ist ein etwas anderer Reisebericht, fernab des Mainstream. Mir gefällt es nicht. Muss es ja aber auch nicht. Für mich muss ein Reisebericht etwas mehr Informationen beinhalten, eine Brise Humor, etwas Nachdenklichkeit und die Sensibilität den Leser mit auf die Reise in ein fernes Land zu nehmen, und nicht auf einen Trip, bei dem der Leser den Eindruck hat er könne nur in das Erlebte eintauchen, wenn er ebenfalls auf einem Drogen-Trip ist.

Ein Sachbuch zu genau diesem Thema widmet sich übrigens auch der Thematik der sich im Laufe der Zeit verändernden Reiseberichte: „Indienberichte deutschsprachiger Autoren des 20. und21. Jahrhunderts: Zur Entwicklung des Reiseberichts anhand der Werke von Hermann Hesse, Günter Grass, Helge Timmerberg und Ilija Trojanow“.

Schließlich hat die FAZ ein sehr gutes Autorenportrait von Timmerberg gezeichnet, das im Prinzip genau meinen Eindruck widerspiegelt. Sehr lesenswert !

Besser als ein Leser auf Amazon kann man das von Timmerberg Geschriebene eigentlich gar nicht auf den Punkt bringen, der das Buch wie folgt bewertet:

„Das Buch bekam ich geschenkt, da ich selbst viele dieser Orte bereits besucht und erlebt habe, und tatsächlich dachte ich, da wird bestimmt das eine oder andere für mich bei sein. WEIT GEFEHLT!!!
Herr Timmerberg liebt, er liebt sich selbst und das nicht zu knapp. Mit dem entschuldigenden „ein Journalist muss das schreiben“ schreibt und wütet er in anderen Kulturen. Von der der Welt gesehen hat er offensichtlich viel, verstanden hat er nichts. Nach den ersten Geschichten wurde mir bereits flau im Magen, nach weiteren bestätigte sich der anfängliche Verdacht. Herr Timmerberg ist erhaben über alles und jeden, zu jeder Tageszeit, zu jedem Anlass. Mit der Arroganz des westlich geprägten Mannes- und ich schreibe nicht Menschen- ja ich denke da fühlt er sich gebauchpinselt wenn er sich als Mann beschrieben sieht, macht er par excellence ganze Völkerscharen dem Erdboden gleich, ständig besoffen, ständig bekifft. Hintergründe werden nicht erforscht. Er bleibt oberflächlich und im Schreibstil doch eher langweilig. Herr Timmerberg verfügt über einen bestimmten Stammwortschatz und über den kommt er ebenso wenig hinaus wie sein Blick über den Tellerrand geht.“ (Zitat Amazon-Bewertung |
www.amazon.de | User „Tampopo-Pusteblume Sparks“)“.

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